Im Warteraum der berühmtesten Modellagentur in der Stadt,
brodelte es wie in einem Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch steht. Ein großes
Modelabel hatte zum Casting gerufen und der Ruf war erhört worden. Von überall
her kamen sie, die jungen, schönen und perfekten Körper und Gesichter. Auf der
Suche nach Reichtum, Ruhm und ewiger Unsterblichkeit in Form eines auf Leinwand
prangenden Fotos mit ihrem Konterfei. Man sah die Anspannung in ihren
Gesichtern. Die musternden Blicke, welche die Konkurrenz abcheckten, um sich
die Chancen schon im Vorfeld ausrechnen zu können. Hier waren sie alle als
Gegner gekommen, nicht um Freunde zu finden. Berechnende Höflichkeit, ein
aufgesetztes Lächeln, das imaginäre gewetzte Messer bereits im Rücken um in
Ernstfall blitzeschnell „zuzustechen“, wenn es ums Ganze ging. Ein Moloch
aufgesetzter „Fratzen“.
Ganz in der Ecke des Raumes, fast schon etwas abgetrennt von
der Masse, saß eine Frau, die so gar nicht in diese Herde passen wollte. „Hast
du die Alte dort gesehen“ meinte eine der Anwärterinnen im vorbei gehen, mit
einem abschätzigen Lächlen zu ihrer Mitstreiterin und dann zogen beide weiter
kichernd und siegessicher. Die Dame, die dort im Außen saß, passte tatsächlich
überhaupt nicht. Sie war von durchschnittlichem Aussehen. Kein Quasimodo, aber
schön war irgendwie auch was anderes. Ihre Figur war eher üppig und entsprach
so gar nicht dem Einheitsbrei der anderen. Außerdem war sie bestimmt gut
doppelt so alt wie die jungen Küken, die hier durch den Raum flatterten. Das
führte dazu dass außer ein paar verächtlichen, manchmal sogar mitleidigen
Blicken und einigen gerümpften Nasen, ob dieser Dreistigkeit sich bei solch
einem Casting mit diesem Aussehen verlaufen zu haben, ihr ansonsten wenig bis
gar keine Beachtung geschenkt wurde. Was dieser aber nichts auszumachen schien.
Sie saß ruhig und elegant fast schon erhaben und gütig wirkend in ihrer Ecke
und lächelte wie ein zufriedener Buddha vor sich hin.
Es gab aber noch Eine, die in dem ganzen rumorenden Chaos
nicht so recht hineinpassen wollte. Sie allerdings war von einer einfachen
Schönheit und Reinheit, dass man sie durchaus als Landei einstufen wollte, beim
ersten Blick. Eine hochgewachsene junge Frau, schwarzes Haar, glänzend und
wallend über die Schultern fallend, einen ebenmäßigen Teint und die Figur würde
die Modelmaße sicher erfüllen. Nur der Blick glich in keinster Weise den leeren
Hüllen, die ansonsten durch den Raum taumelten. Ihr Blick war wach und klar,
voller Neugierde und einer Unschuld wie sie hier fast schon exotisch war. Das
ganze Gesicht, der ganze perfekte Körper schien zu rufen : Ehrlichkeit,
Offenheit, Authentisch. Auch sie wurde wenig bis gar nicht beachtet. Man sah
keine Konkurrenz in diesem kleinen Naivchen, das wahrscheinlich heute zum
ersten Mal so ein Casting besuchte.
„Sie haben wohl noch nicht sehr viel Erfahrung im
Modelbusiness oder?“ fragte eine freundliche, sanfte Stimme leise von hinten
und die junge Schönheit, drehte sich fast schon erschrocken um. Sie blickte in
das Gesicht der etwas älteren Dame, die gerade noch in der Ecke gesessen hatte
und nun direkt vor ihr stand mit einem friedvollen Lächeln auf den Lippen. „Nein,
um ehrlich zu sein“ antwortete die junge Frau fast schon verlegen und ein wenig
schüchtern „ war ich noch nie bei so etwas“. Sie blickte beschämt zu Boden, als
hätte sie ein vernichtendes Geständnis gemacht, welches alle Chancen zerstörte.
„Wissen Sie“ fuhr sie fort „ meine Schwester hat mich dazu überredet, aber hier
glaube ich bin ich wohl nicht am richtigen Platz.“ Sie sah sich um wie ein
verängstigtes Kind. Die älter Dame nahm sie bei der Hand und zog sie etwas in
die Ecke, in der es ruhiger war als im übrigen Raum. „ Wissen Sie, ich passe
hier auch nicht hin, aber trotzdem bin ich hier und das erfordert Mut“ sie
lächelte aufmunternd „ wichtig ist, dass Sie immer Sie selbst bleiben und keine
marionettenhafte Hülle werden, wie all die anderen hier“ sie machte eine kurze
Pause, dann blickte sie in den Raum und sagte „ schauen Sie sich diese Mädchen
an, wenn sie genau hinsehen, ist es, als ob sie alle an Schnüren hängen würden
und alle die gleichen schlaksigen Bewegungen ausführen würden. Wie ein Puppentheater“.
Als die junge Schöne durch den Raum schaute, da war es tatsächlich so als sähen
Sie einem Puppenspiel zu und sie musste amüsiert schmunzeln. Und als sie sich
umdrehte um der älteren Dame etwas zu entgegnen, da war diese verschwunden,
einfach weg, als hätte die Erde sie verschluckt. Als hätte sie nie existiert.
Die Tür des Castingraums öffnete sich und ein junger Mann
trat heraus. Er war gutaussehend und trug ein legeres Outfit. Mit einem
freundlichen aber bestimmten Lächeln sagt er mit lauter und fester Stimme, so
dass es überall im Raum verständlich war: „ Meine Damen wir danken Ihnen für
ihr zahlreiches Erscheinen, aber das Casting ist abgeschlossen, wir haben uns
für eine Kandidatin entschieden, die genau zu unserem Label passt.“ Er ging mit
entschlossenem Schritt auf die unschuldige junge Schöne zu und reichte ihr die
Hand „ Herzlichen Glückwunsch, sie haben den Job, morgen früh geht es los, wir
sehen uns um punkt acht genau hier!“ Damit verabschiedete er sich und schloss
die Tür des Castingraumes wieder hinter sich. Zurück blieb eine völlig
überraschte junge Schöne und völlig verstörte und empörte „Marionetten“.
Hinter der Tür aber saß, verschmitzt schmunzelnd und sehr
zufrieden, die älter Dame, mit dem nicht so perfekten Aussehen und nickte dem jungen
Mann zwinkernd zu.
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