Sonntag, 16. Februar 2014

Das Geschäft mit der Angst


Seit der Diagnose, ADHS von meinem jüngsten Sohn, hat man mir wirklich so einige Angebote gemacht. Angefangen beim üblichsten und schnellsten Mittel, einem Medikament um dem Kind,  und vor allem seiner Umwelt das Leben zu erleichtern, bis hin zu verschiedensten Therapien und der Unterbringung in einer Psychiatrischen Klinik.

Ich unterstelle jetzt einmal, all diese Vorschläge waren sehr gut gemeint. Was mir aber nie Angeboten wurde, war, der Gedanke, mein Kind so zu akzeptieren wie es eben ist. Was mir nie angeboten wurde, waren, Vorschläge wie man sich selber stark macht, gegen die Anfeindungen, denen man sich in der „normalen“ Gesellschaft ausgeliefert sieht. Sowohl als betroffenes Kind, wie auch als Eltern. Denn der Begriff ADHS ist bekannt, die wenigstens allerdings wissen tatsächlich was es heißt damit zu leben.

In einer Zeit in der unser Schulsystem, vor allem in Bayern, „perfekt“ reformiert, durchorganisiert, kaputt strukturiert ist, gibt es keinen Platz mehr für Kinder die „anders“ sind. Und diese werden erstaunlicherweise immer mehr. Aber anstatt sich Gedanken darüber zu machen ob vielleicht mit dem System was nicht stimmt, erklärt man lieber den Eltern, dass mit ihren Kindern was nicht stimmt. Und diese – brav wie sie alle sind und aus lauter Angst, welche auch fleißig geschürt wird, dass ihre Kinder nie eine Zukunft haben werden, wenn sie nicht von Anfang an auf eine höhere Schule gehen- tun alles um die Kinder hinzubiegen, damit sie auch in eben dieses System passen.  Und das  funktioniert prima. Medikamente, Therapien, Nachhilfe, Bücher für gestresste Eltern, alles da, alles ein großes Geschäft, vor allem ein Geschäft mit der Angst der meisten Eltern ihre Kinder hätten keine Chance auf ein „normales“ Leben.

Aber nun mal ehrlich, wer bestimmt denn wie ein „normales“ Leben aussieht? Der Psychologe, der Lehrer, der Nachbar, die Freundin, die Gesellschaft? Wer garantiert mir denn, dass deren Leben „normal“ ist? Vielleicht geht ja der eine mit 20 Kuscheltieren ins Bett, weil er sonst nicht schlafen kann, oder der andere muss erst einmal komplett alles desinfizieren bevor er sich entspannt auf die Couch setzt. Vielleicht putzt der Nachbar jeden Tag zwei Mal die Fenster, weil er sonst nicht glücklich ist. Oder die Freundin hat sich schon Brüste, Zähne und Arsch machen lassen, um „normal“ auszusehen.  Aber das sind eben alles Erwachsene Menschen und die kann man nicht mehr so leicht verbiegen, bei Kindern sieht es eben anders aus, denen bzw. deren Eltern kann man noch eine Menge Angst machen mit der Aussicht, dass ihr Kind irgendwann asozial und zukunftslos in der Gosse landet.

Worte wie Toleranz, Courage, Individualität, Inklusion und Förderung sind überall und in aller Munde. Warum setzten wir sie dann nicht um? Haben wir gar, deren Sinn überhaupt nicht verstanden? Oder ist auch hier alles nur Schein, eine Pappfasade, die nichts anderes darstellt, als schönes Erscheinen im Aussen und ein Vacuum im Innen? Wie leider so vieles in unserer ach so „normalen“ Gesellschaft!!!

Mein Sohn wird es sicher nicht immer leicht haben, er denkt viel zu Quer um mit dem starren Schulsystem zurecht zu kommen, aber er wird seinen Weg  gehen, weil er weiß, dass er geliebt wird. Weil ich jeden Tag versuche ihm zu zeigen, dass er wertvoll und  besonders ist, genau wie jeder andere Mensch auf dieser Erde. Ich mache sicher nicht alles richtig in der Erziehung, aber ich versuche es zumindest so gut wie möglich zu schaffen!

 

2 Kommentare:

  1. Sehr gut geschrieben. Ja so ist es leider, dass die Kinder, die nicht hineinpassen in dieses System Schule, als falsch und krank abgestempelt werden. Ich habe auch ein so wundervollen kleinen Menschen. Zum Glück gibt es durchaus andere Lehrer bei denen er so sein darf wie er ist. Nach einem Wechsel der Schule ist im übrigen auch mein Kind wieder ausgeglichen. Seine vorherigen Lehrer haben ihm auch fast Medikamente vorgeschlagen. Und das nur aufgrund einer Legasthenie und Lernblockade....

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    1. Hallo liebe Silke, danke für deinen Kommentar, ja es gibt sie, Gott sei Dank , die anderen Lehrer, wobei viele Lehrer gerne anders arbeiten würden habe ich festgestellt, es liegt mehr am starren System selber, da bleibt den Lehrern oft wenig Spielraum. Ein Teufelskreis. Aber vielleicht ändert sich ja doch etwas, wenn starke Eltern auch ihre Kinder stark machen........

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